Eugeno wurde in Selem geboren, einer von vielen in der grauen Masse der Bewohner des Selemer Hafenviertels. Hier regieren die Gesetze des Phex oder die des Stärkeren - manch einer allerdings bezweifelt, daß es tatsächlich des Listenreiche sein soll, der dem Spiel in den schmierigen Gassen Selems beiwohnt. Gottverlassen nennen die meisten Menschen Selem, wo allenfalls noch echsische Götter Verehrung finden.
Die Eltern des heutigen Kämmerers zu Rashdul waren erbärmlich arm. Als Bettler und Diebe suchten sie nach dem Lebensnotwendigen, und so war auch Eugeno gezwungen, die Spielregeln der Gosse anzuerkennen und zu erlernen. Er wählte den einfacheren (wenn auch weniger einträglichen) Weg des Bettelns. Augen und Ohren hatte er stets aufgesperrt, so begriff er nach noch nach die Ränke und Intrigen der Straße.
Sollte Phex seinen Mantel doch nicht ganz von der Stadt genommen haben? Hesinde wenigstens hatte es noch nicht. Eugeno war gerissen und klug - zu klug, um im Sumpf des Selemer Hafens unterzugehen. Und der Beweis hierfür war er selbst, da er sich bewußt war, daß er mehr vermochte als zu betteln.
Einzig mangelte es an Gelegenheit. Die allerdings ergab sich, als ein Magus des ODL eines späten Abends Opfer eines Überfalles werden sollte. Nur Dank einer rechtzeitigen Warnung, blieb dem Magus Zeit genug, sich in Deckung zu bringen und sich seiner Zauber zu bedienen.
Im Bruchteil eines Augenzwinkerns hatte sich der Junge entschieden, aus seiner Situation auszubrechen. Ein gewagtes Unterfangen, denn das Resultat seiner Warnung hätte ebenso sein Tod sein können! Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Phex! Der Magus dankte seinem Retter Eugeno, indem er ihn zunächst ins Ordenshaus brachte, wo er erstmals mit seinem Leben ein wirklich üppiges Mahl bekam.
Nicht auf den Mund gefallen und von Neugier erfüllt drangen etliche Fragen auf die Anwesenden ein. Mochte auch einige Fragen bar jeglichen Anstandes sein, mochte auch Unhöflichkeit aus dem Munde des Jungen sprechen, eines aber fiel einem jedem auf: der helle Geist, der unter dem schmierigen, verkrusteten Haar versteckt war. Die Ordensleitung beschloß darob, den Jungen in verschiedenen Dingen zu unterweisen, bis der Tag gekommen sei, daß Eugeno selbst entscheiden wollte, ob er den Reihen des ODL beitreten wolle oder nicht - eine Frage, die der Knabe selbst schon sehr bald entschieden hatte!
Von Selem gelangte er nach Fasar, wo er bereits bei der Bilanzia assistierte. Einige Außenmissionen führten den jungen Mann weiter in den Süden, aber auch in weite Teile Araniens. Seine Vergangenheit machten ihn zu einem Experten städtischer Informationsbeschaffung, doch noch größer waren seine Erfahrungen im Umgang mit Wertgegenständen, Verträgen und deren Einhaltung. Mit Betrügereien war er aufgewachsen - hier machte ihm so schnell niemand etwas vor.
Seit drei Jahren nun lebt Eugeno Esz in der Stadt Rashdul. Selem hat er seit seines Fortganges nicht mehr besucht, seine Vergangenheit ruft sich nur dann und wann ins Gedächtnis zurück. Mehr als ein Jahr ist er nun bereits Kammerherr des Domus Rashdulis. Die Zahl der Außeneinsätze ist deutlich geschrumpft, doch die Arbeit und die Aufgaben, die sich ihm jetzt stellen, gefallen ihm fast noch besser als alles, was er zuvor erlebt hat. Hart hatte er arbeiten müssen, um das zu werden, was er heute ist. Und darum plagt ganz selten nur der Schwermut bei dem Gedanken an seine Wurzeln.