Selín Madrigal

(Justiziarin zu Vinsalt)


In Shenilo wurde die Selín auf dem Gutshof ihrer Eltern geboren, wo sie auch ihre gesamte Kindheit verbrachte. Gut betucht, war es den Eltern möglich, einen privaten Lehrer anzuwerben, der dem Kind - genauso wie den drei Geschwistern - Schreiben und Rechenen beibringen sollte. Es war nälich eigentlich im Sinne der Eltern gewesen, dem Kind die Grundlagen der Buchhaltung beizubringen, die ja unerläßlich waren, wollte man einen Hof dieser Größe nicht in den Ruin treiben, und sollte sie auch nicht Erbin dieses Gutes werden, so gab es doch eine Reihe stattlicher Bauernsöhne, die einst ihr Erbe antreten sollten.
Doch es war ihr ein anderes Ziel beschieden, wenn auch ihre Eltern erst nicht recht einsehen mochten, daß Seín ihren eigenen Weg zu gehen gewillt war. Mit erspartem Geld und einer Zuwendung ihrer Eltern, die zuletzt doch nachgaben, brach die reizende Frau nach Vinsalt auf, der Stadt ihrer Träume, zumindest wie sie sich die Stadt vorstellte. Allerdings war die wirklich bildhübsche, braungelockte Schönheit weder nach Vinslat gekommen, um sich in allerlei Lustbarkeit zu ergehen, noch um sich dem erstbesten Mann an den Hals zu werfen und sich aushalten zu lassen! Ihr Ziel war es, an der Rechtsschule zugelassen zu werden, und das schaffte sie in der Tat.
Selín hatte nie gedacht, daß ihr der Abschluß einfach so zufallen würde. Sie war bereit, eine Menge Energie und Eifer zu investieren, und eigentlich hätte sie etwas anderes nicht akzeptiert. Sie wollte Erfolg durch ihren eigenen Ehrgeiz und ihre eigene Arbeit, sämtliche Boni und Erleichterungen, die man ihr ob ihrer vereinnahmenden und reizvollen Erscheinung angedeihen lassen wollte, lehnte sie rundweg ab.
So schlug sie sich durch und spezialiserte sich auf das Studium des Kirchenrechts, wobei sie insgeheim eine fundierte Wissensbasis erlangen wollte in Bezug auf die Inquisition und die Kirche des Praios. Es gab eigentlich keinen speziellen Grund dafür; unterbewußt jedoch hegte sie eine starke Abneigung gegen die Diener des Gleißenden. Dabei kann man in den Worten Selíns mitunter eben die gleiche Inbrunst spüren, wie es bei einer flammenden Predigt eines Illuminierten der Fall ist.
Sie blieb nach Beendigung der Ausbildung noch einige Jahre an der Rechtsschule und durfte auch hin und wieder in strittigen Fragen ihre Erkenntnisse prüfen, später sogar selbst Gericht halten. Zu dieser Zeit stellte sie fest, daß sie nicht dafür geschaffen war, Urteile über andere Menschen zu fällen. Sie wollte sich fürderhin zum Advocatus machen. Gerade, als sie dies für sich bestimmt hatte, sorgte der Zufall für das Übrige: Sie begegnete einem Streiter des ODL, Sandros di Mascati mit Namen!
Auf diese Weise auf den Orden aufmerksam geworden entdeckte Selín, daß ihre Ziele mit denen des Ordens durchaus vergleichbar war. Sogleich stellte sie sich in den Dienst der Lehre, und verband somit eine Lebensaufgabe mit der Möglich ihrer Liebe nahe zu sein. Die Götter waren sich einig: was Rahja zusammengefügt hatte, siegelte Travia mit ihrem Bund und segnete Tsa schon wenig später.
Auch Selín stieg rasch im Ansehen und erklomm bald die Stufen ins Capitulum des Ordenshauses zu Vinsalt. Eine ungewohnte Situation, ein traviaverbundenes Paar in einem Capitulum zu haben, die zudem stets eine auffällig ähnliche Meinung haben. Man kann ihnen nicht einmal nachsagen, sie würden aus gegenseitiger Rücksicht handeln, vielmehr ist ihre Denkart tatsächlich derart gleich, daß es manch einem schon fast unheimlich wird dabei.