Al'Anfa, die Perle - oder auch Pestbeule - des Südens thront auf den schwarzen Hängen des Vulkans Visra über der Goldenen Bucht wie eine Königin. Besuchern des hiesigen Ordenshauses wird das auf besonders beeindruckende Weise ersichtlich, liegt es doch auf einem kleinen Absatz unmittelbar unterhalb der Universität, aber noch oberhalb der Grafenstadt, sicherlich 50 Schritt über dem Meer, auf welches man von hier einen erhabenen Blick hat.
Die Bucht, der Hafen, das Häusermeer der Stadt mit seinen abertausenden Bewohnern - das alles bildet eine bunte und exotische Kulisse hinter den mannshohen, offenen Rundbogenfenstern des großzügigen L-förmigen Gebäudes. Wenige reguläre Mitglieder sind hier stationiert, außer dem Hauskapitel gerade mal eine handvoll Ordenskämpfer, so daß deren Privat- und Arbeitsräume entsprechend großzügig ausfallen. Dennoch sollte dies nicht darüber hinweg täuschen, daß das hiesige Haus rein zahlenmäßig zu den größeren gehört, gerade was die magiebegabten Mitglieder betrifft, doch die meisten von ihnen ziehen ein eigenes Domizil in der Stadt vor - ob Universität oder Leibwächterstellung, Geldquellen für solchen Lebenswandel gibt es hier genug.
So beherbergen die luftigen, weiß getünchten, teilweise auch mit Marmor verkleideten Räume meistens die zahlreichen Gäste des Hauses.
Abgesehen von den privaten Räumlichkeiten und Gästezimmern gibt es hier natürlich noch einige Seminarräume, eine wohlsortierte Bibliothek, die allerdings keine außergewöhnlichen Besonderheiten aufweist, und einen edel ausgestatteten Salon, in dem besondere Besucher empfangen werden.
Im Erdgeschoß des einen Flügels liegen außerdem ein Stall und die Wirtschaftsräume mit den Dienstbotenquartieren.
Vor etlichen Jahren soll es einmal einen kleinen Kräutergarten gegeben haben, doch ist dieser mittlerweile einem gepflegten tropischen Ziergarten gewichen, der durchzogen wird von säuberlichen weißen Kieswegen, die einen reizvollen Kontrast zu den dunklen Vulkanhängen bilden.
Eine Straße windet sich in einer steilen Serpentine hinauf vom Fuße des Schwarzen Turmes in der Grafenstadt, von dem die Gesänge des Boronrufers stündlich herüberhallen, und führt weiter hinauf zur Seidenmalergasse - die besser ausgebaute von nur zwei mit Karren befahrbaren Wegen hinauf zum Universitätsviertel. Darüber hinaus lassen sich der ober- und unterhalb gelegene Stadtteil auch jeweils durch eine der für Al'Anfa so typischen Treppen erreichen, eine führt vom Absatz hinunter zur Villa Hermetica, die andere direkt hinauf zur Universität.
In Al'Anfa, so sagt man, gibt es alles - folgerichtig auch ein Ordenshaus der Verteidiger der Lehre. Gerade das Verteidigen jedoch ist eine der unwesentlicheren Aufgaben der hiesigen Dependance. Magier nämlich, die gegen irgendwelche Vorschriften verstoßen haben, müssen hier nur in den seltensten Fällen mit Verfolgung rechnen (weswegen sie sich ja gerade hier sammeln, und die Stadt zu einem Zentrum der Freidenkerei machen), es sei denn, sie haben jemand wirklich Mächtigem auf die Füße getreten - und dann kann auch der Orden kaum noch etwas ausrichten.
Wichtiger ist das Haus daher als Sammelstelle für Informationen aller Art. Die Entwicklungen an der Universität werden hier ebenso beobachtet wie die der städtischen Politik und die Intrigen der Grandenfamilien.
Bei letzterem ist es außerordentlich hilfreich, daß jeder Al'Anfaner, der es sich leisten kann, mindestens einen Leibmagus beschäftigt. Ein guter Teil von ihnen gehört der Grauen Gilde an, und die meisten von ihnen erfreuen sich bester Beziehungen zum Ordo (die von dieser Seite aus natürlich auch gezielt gefördert werden). Aber auch sonst besteht ein guter Teil der Aufgaben der hiesigen Ordensgeschwister daraus, sich bei wichtigen Anlässen sehen zu lassen, einflußreichen Leuten ihre Aufwartung zu machen, zwanglose Gespräche zu führen...
So verwundert es nicht, das hier viele Vorschriften recht weit ausgelegt oder gar ignoriert werden, allen voran die Kleiderordnung. Man bemüht sich, in der gehobenen Gesellschaft nicht aufzufallen, und wenn es wirklich einmal darauf ankommt, Farben zu zeigen, mag hier auch schon mal ein rotes Seidenkleid mit Stabmuster in Silbergarn als durchaus angemessene Ordensgarderobe gelten.
Dennoch wurden nicht alle Tugenden des Ordo völlig vergessen. So besitzt das Haus unter anderem eine Professorenrolle der Universität - einen Lehrstuhl für Rohalsche Schriften. Die drei wöchentlichen Vorlesungen sind meist leidlich gut besucht, da es gerade unter den Reichen, die sich selbst gerne als hochkultiviert sehen, immer wieder beliebt ist, mit Zitaten des Weisen um sich zu werfen. Auf diese Art sind bisher aber nicht nur zahlreiche Kontakte geknüpft worden, auch die Ordenskassen, die den hier nötigen aufwendigen Lebensstil finanzieren, werden durch die Einnahmen spürbar entlastet.